Workshop Selbstverteidigung IV 2010

Gruppenbild-SV

Teilnehmer des 3. Workshops

4. Auflage des Workshop Selbstverteidigung

Der Selbstverteidigungsworkshop vom SPOZ - Blaue Flecken und ein gutes Gefühl

Samstagmorgen um 9.00 Uhr ging es los, am Nachmittag um 16.00 Uhr waren wir fertig. Fix und fertig. So richtig geschafft, aber mit dem schönen Gefühl, wirklich etwas gelernt zu haben.
Etwa 40 Studenten hatten sich in der großen Sporthalle versammelt und wurden von den Trainern Ken Oesterreich und Veit Albrecht gleich zu Beginn nach Erfahrungsgrad in zwei Gruppen aufgeteilt; einmal die noch völlig Unbeleckten, einmal die, die schon etwas "Kampferfahrung" gesammelt hatten.
Und irgendwo dazwischen saß auch noch der arme Mr. Klebestreifen, den wir dann auch noch einmal zu malträtieren hatten. Aber dazu später.

Los ging's dann ohne Umwege direkt mit Abrollübungen; denn bevor man überhaupt etwas in Richtung Treten, Schlagen und Ducken unternimmt, sollte man wenigstens richtig stehen und fallen können. Hätte jetzt gerade jemand von draußen hereingeschaut, so hätten 20 junge Leute, die ansonsten recht normal und geistig fit wirken, sich jetzt aber freiwillig immer wieder selbst zu Boden warfen, wohl einen etwas skurrilen Eindruck hinterlassen. Trotzdem: das war die erste sehr wichtige Übung die helfen kann, schwere Verletzungen durch "falsches Fallen" zu vermeiden und nicht sofort zum "Opfer" zu werden. Man kann sich abrollen und dabei schon den Kopf schützen ohne sich etwas zu brechen - und ohne die Kontrolle über die Situation zu verlieren. Allein das kann einem das Leben retten.
Danach kam "klein und hässlich". Man soll dann nicht etwa mit Gartenzwergen werfen, sondern sich im Falle eines plötzlichen Angriffs irgendeines hirnlosen Schlägers gezielt klein machen; sich in die Knie ducken und den Kopf mit den Händen und Armen bedecken. Damit waren schon einmal wichtige größere Bereiche am Körper vor den verheerendsten Verletzungen geschützt.
Aus dieser Stellung heraus kann man dann auch sofort Gegenmaßnahmen einleiten, also einen Schlag gegen den Gegner landen oder - noch viel wichtiger - mit einem gezielten, kräftigen Tritt dem Angreifer eine schöne Breitseite vor den Bug knallen. Veit Albrecht hat uns sehr gekonnt gezeigt, wie man so einen Angreifer in jeder beliebigen Richtung außer Gefecht setzen kann. Einfach aus der Deckung heraus in den richtigen Winkel drehen und irgendwo im Unterschenkelbereich des - hoffentlich überraschten - Gegners den Fuß absetzen. Und das möglichst nicht zu zögerlich. Ziel soll es sein, den Angreifer relativ kampfunfähig zu machen, damit man selbst aus der Gefahrenzone herauskommt, ohne zu viel Schaden zu nehmen.
Sehr interessant fand ich während dieser Übungen, dass es um die realen Situationen ging, nicht um Nachstellungen unserer Lieblings-Action-Kung-Fu-Filme. Nur ein Typ Tritt und eine Deckung, die sie sich in fast jeder Situation anwenden lassen.
Wir haben also allein und zu zweit, manchmal sogar zu viert (um mehrere Angreifer zu simulieren) über Stunden diese Abwehrhaltungen und Verteidigungstritte geübt, bis sie einigermaßen in Fleisch und Blut übergegangen sind. Sogar ein kleiner Parcour war dabei, bei dem wir den Sandsack zu Boden treten mussten, uns danach gegen Schläge verteidigen und am Ende dem armen Mr. Klebestreifen - eine Art Schaumstoffpuppe mit Klamotten und eben viel Klebestreifen drüber, damit es irgendwie anatomisch korrekt wirkt - noch einen kräftigen Tritt verpassen.
Dann sollten wir uns noch selbst mögliche Angriffssituationen ausdenken und mögliche Gegenmaßnahmen dazu überlegen. Veit hat immer wieder unsere "kriminelle Energie" bewundert, mit der wir uns gegenseitig überfallen würden. Ich behalte das mal im Hinterkopf, falls das Studium doch nicht genug einbringt.

Zum Mittag gab es lecker Pizza, und dann kam der beste Teil: Die Straßenbahn.
Mit Stühlen wurde in etwa der Sitzaufbau in der typischen Magdeburger Straßenbahn nachgestellt. Eine Hälfte unserer Gruppe hat sich dort gut verteilt und sollte dann jedem Einzelnen von den anderen das Leben schwer machen. Es wurde gepöbelt und geschuppst, gedrängelt und gegrapscht, auf jedem Platz, an dem man Halt machen musste, gab es neue "Belästigungen", gegen die man sich zu wehren hatte. Fast wie im echten Feierabendverkehr in Magdeburg... OK, ganz so schlimm ist es nicht, aber wir sind zumindest einigermaßen vorbereitet, da auch hier wieder die "Klein-und-Hässlich-Deckung" kombiniert mit kräftigen Tritten enorm was gebracht hatte.
Anschließend wurden noch einmal Angriffe durchgespielt, die einzelne Teilnehmer schon durchlebt hatten, auch mit möglichen Lösungen zum Wehren und Befreien, also wieder sehr hilfreich für das "richtige Leben".

Insgesamt war der Workshop also sehr interessant, sehr ergiebig und hat definitiv etwas gebracht. Wir mussten uns zwar danach zusammenreißen, damit wir nicht sofort jede Oma auf den Boden werfen, die uns einfach nur auf die Schulter tippt, weil sie einmal die Uhrzeit wissen möchte, aber der Kurs war es wert.
Wir haben einen sehr guten Einblick in eine Welt bekommen, von der wir gerne hätten, dass sie nicht existiert. Man hofft im echten Leben immer, dass einem niemals etwas passiert, man fühlt sich sicher und meint, dass immer nur die anderen Probleme haben, aber es kann einen immer treffen. Und so sind wir zumindest ein bisschen vorbereitet. Wie leicht gerät man am Wochenende an einen Betrunkenen, wie schnell kann es ein Missverständnis mit einem gewaltbereiten Jugendlichen geben, dass am Ende tödlich verläuft, weil jemand nicht mit der zivilisierten Welt umgehen kann.

Ich selbst habe nur ein paar Tage nach dem Workshop so einen Kontakt gehabt; ein junger Mann fuhr mir sehr aggressiv auf dem Rad entgegen und pöbelte jeden aus heiterem Himmel an, ohne Unterschiede zu machen oder sich selbst zu beruhigen. Einfach wie ein wildes Tier. Dieser Mensch war sofort verschwunden, was aber, wenn ich ihn an einer Kreuzung getroffen hätte? In dem Moment rief ich mir noch einmal gut den Kurs in Erinnerung und war sehr froh über das sehr wichtige Grundwissen, dass in so einem Moment mein Leben schützen könnte.

Natürlich darf man nicht übermütig werden, nur weil man sich ein bisschen verteidigen kann, aber man hat zumindest immer noch ein Ass im Ärmel und kann ein gewisses Selbstvertrauen ausstrahlen, das bestimmte Situationen einfach mal verhindern kann. Man macht sich nicht zum Opfer.

Ich freue mich auf jeden Fall auf den nächsten Workshop und wünsche den Kursleitern alles Gute. Auf jeden Fall weiter so! Sehr interessant. Und äußerst witzig - die flotte Art der Trainer hat uns sehr gut unterstützt.
Und die blauen Flecke gehen ja auch wieder weg.

Stephan Gottschalk

winners never quit

Letzte Änderung: 21.07.2020 - Ansprechpartner: Katrin Holz